Berlin

Die Berliner Luft als solche wird auch in der Höhe nicht wirklich besser, aber nach meiner Ankunft musste ein Frühstück im Kreisverkehr einfach sein (sind übrigens ziemlich geile Sessel in diesem Cafe dort oben). Blöd nur, dass der Berliner sich die besten Sichten mit Hochhäusern verbauen lässt, ansonsten hätte man einen ungetrübte Blick aufs Brandenburger Tor und andere Klassiker in dieser Ecke der ehemaligen Grenzregion. Und da ist viel: Brandenburger Tor, Reichstag, Berliner Dom, Tiergarten, Alexanderplatz, .... ja, die Stadt ist groß, an manchen Stellen aber wirklich auch nur eine Ansammlung von Dörfer (muss mal gesagt werden!)

Und wenn wir dann schon mal am Alex stehen (es ist ein Gerücht, dass alle diesen Platz so abkürzen, aber diese Stadt lebt von Mythen und Geschichten), also da muss ich doch mal was loswerden: der Berliner an sich hat gar nicht so eine Schnauze, wie es ihm immer unterstellt wird. Ok, in der U-Bahn etc. guckt Dich wirklich kaum jemand an, aber wenn man einen anspricht, ... halleluja sind die freundlich. Im direkten Vergleich mit München (ja, liebe Münchner, jetzt wird's bitter) ist es kaum zu fassen, wenn man einen Menschen, der gerade als Kioskbesitzer arbeitet und vor dem Büdchen was räumt, nach der richtigen U- oder S- Bahn fragt, dann kommt dieser Einheimische sogar mit an die Anzeigetafel und erklärt einem diese auf Fasthochdeutsch. Ich war baff! Auch andere Nationalitäten, z.B. der Berlintürke ist nicht nur freundlich, sondern plaudert mit einem bis zur U-Bahn oder erzählt einem als Internetcafebesitzer, wie es so in diesem jeweiligen Kiez zugeht. Also Berlin: das gibt die volle Punktzahl!

Eigentlich wollte ich hier ja nur Fotos von U-Bahn-Stationen veröffentlichen und die obligatorischen Millionenfotos beiseite lassen. Ich musste aber immer wieder erkennen, dass diese Untergrundfotos sich doch häufig der korrekten Belichtung oder Standfestigkeit verweigerten. Sie dienen nun ausschließlich dazu, den engen Freundeskreis mit Diapräsentationen zu quälen.

Und ich muss auch gestehen, ich bin erneut U-Bahn-Junkie geworden, das ist einfach eine Welt, in die ich gerne abtauche, mich treiben lasse und selbst am Kottbusser Tor mit leicht erhöhtem Adenalinspiegel ist es einfach ein Erlebnis (dieser Ort scheint die offizielle Hardcore-Station in Kreuzberg zu sein). Ok, ich muss mit der BVG noch etwas klären, aber wenn sie nur halb so freundlich wie alle anderen, mit mir palavernden Berlinern ist, dann wird ein: "ne, ist klar, das lief reichlich ungeschickt, tut ma leid, wa!" aus der Hauptstadt kommen.

Diese baufällige Kirche ist nicht nur optisch baufällig, sie ist es wirkich, also will sagen: aus gut informierten Kreisen hörte ich, dass da kein Geld ist, und wenn das so weitergeht, sie bald wirklich komplett zerbröseln wird. Berlin ist nicht nur pleite, sondern megaverschuldet. Es würde mich nicht wundern, wenn man demnächst auch in der U-Bahnen Politiker trifft, die mitleidig anklagend für die erste Tasse Kaffee den ersten Lobby-Euro betteln oder grottenschlechte Gedichte vortragen und Dich mit "Na, Meister?" und dem klassischen, leeren Pappbecher ansprechen (das BITTE muss dabei aber einen leicht mahnenden Subtext haben!).

An einigen U-Bahnstationen sprach eine mit Edding auf Türen geschmierte Botschaft mir aus dem Herzen: "Warum muss der Sohn betteln?" Es ist erschreckend, wie Kleinstkinder als Bettelutensilien verwendet werden, was, zur Ehrenrettung der Berliner, jedoch mir nur in den Touristenballungszentren auffiel, wie eben an dieser Gedächniskirche. Echt übel!

Weihnachtsmärkte gibt es mehr als reichlich. Jedoch die meisten sind eher Kirmes, Rummelplatz oder ähnliches. Der am Potsdamerplatz hatte sogar eine .... bitte nicht lachen, eine Skipiste, die man jedoch nur mit Gummireifen runterrodeln konnte. Naja, wenn die höchste Erhebung ca 100m Höhenunterschied ausmacht, da braucht man dann nicht viel für einen künstlichen Berg ;-)

Vor dem Bundestag bzw. Reichstag ist tagsüber eine ziemliche Schlange. Eine Besichtigung der Glaskuppel erfordert viel Geduld, die ich nicht aufbringen wollte. Zwei Tage später entdeckte ich zufällig den Tipp, abends dorthin zu gehen, Einlass bis 22:00 Uhr. Naja, den Tipp lesen vermutlich viele, dachte ich mir, aber, .... Glasschiebetür auf, Axel rein, Axel ausgezogen, Axel durchleuchtet, Axel abgetastet, Axel wieder angezogen und schwupps war ich mit dem Fahrstuhl oben.

Und es lohnt sich! Ok, ich durfte dieses Raumschiff dann nicht selbst steuern: "Captain Münti, gehen sie schonmal von Board ich starte gleich!" jedoch der Blick über das nächtliche Berlin ist dufte, wie altbackene Berliner sagen würden. Und hier ein Besichtigungstipp für Wintermonate: diese Glaskuppel ist offen, an sehr vielen Stellen und es es empfiehlt sich dringlichst, den Mantel und ähnliches nicht auszuziehen,.... ok, war auch eine neue Erfahrung für mich ;-)

Politiker habe ich dann nicht gesehen, aber die machen ja auch keine Überstunden. Dafür viel Security, in allen Ausführungen und nicht nur an politischen Schauplätzen, sondern auch in und vor den Konsumtempeln. Aber mit dieser Rasse konnte ich ja schon immer, die wollen nämlich nur spielen, sind also harmlos.

Diese Kuppel ist dann aber woanders und deutlich kleiner als erwartet. Von hier gab es die Live-Zuschauer-Live-Übertragung der Live-Fussball-WM bei einem deutschen öffentlichen Live-Sender. Ja, dieses ganze Gebäude atmet diese berauschende Live-Atmo,...

... wenn man dran glaubt ;-)

Überraschend ist es aber schon, wie schnell leere Plätze in Berlin zugebaut werden. Da will der eine den anderen übertrumpfen und klatscht noch mehr Glas an die Fassade oder baut den schnellsten Lift ein. Aber zum Glück muss man ja nicht alles schön finden. In den Kiezen (.... heißt das so, Mehrzahl von Kiez?) ist das nicht ganz so, aber auf eine andere Art doch ähnlich. Da gibt es kaum ein Eckchen, in das nicht noch ein Kiosk gebaut werden könnte, Ästhetik spielt keine Rolle, ist eh ein Fremdwort. Und gleichzeitig ist Wedding oder andere Non-Touri-Stadtteile irgendwie heimeliger als die großprotzenden Glaspaläste mit Markenpräsentation.

An einer Stelle revidierte ich jedoch meine Meinung über die Bauwut. Als ich hörte, dass in der Hauptstadt Betonklötze ohne Ende in Reih und Glied als Mahnmal aufgebaut werden sollten, schüttelte ich nur den Kopf. Jedoch der Besuch dieser Gedenkstätte hat mich überrascht und ist, ohne es mit Worten erklären zu können, gut gewesen.

Zugegebenermaßen ist es "da drin" relativ voll und man kann es kaum vermeiden, fotografisch abgelichtet zu werden, aber als Tipp: wer Ruhe sucht findet in der Nähe im Brandenburger Tor einen Raum der Stille und in seiner Schlichtheit und Ruhe ist dieser Raum ... ohne Worte.

Das Brandenburger Tor: DER Klassiker und bei Tag sowie bei Nacht sehenswert, ... einfach sehr geschichtsträchtig. Auch ich erinnere mich, als Schüler mal auf der Westseite gestanden und nur sprachlos nach drüben geschaut zu haben. Und die Bilder von 1989 rund um die Mauer sind einem nicht nur durch den Besuch von Checkpoint Charlie wieder in Erinnerung (übrigens nicht wirklich besuchenswert, aber ok).

Was mich auch freute ist, dass dieses Wahrzeichen komplett frei von Werbebotschaften war, scheint ja nicht immer ganz selbstverständlich.

Schön, es jetzt auch mal von dieser Seite gesehen zu haben :-)

Woran ich mich nicht wirklich gewöhnte, war die Kälte und das Dämmerlicht. Die russichen Winde kommen zollfrei aus Sibirien und wenn man sich nicht wirklich schützt, pfeift es schmerzhaft um die Nase. Auch ein Grund, weswegen ich die U-Bahn liebte ;-) Dort gibt es dann andere Sog-Winde, die aber immer nach Großstadt riechen. Und hier fällt dann auch nicht mehr auf, daß die Sonne nicht scheint, selbst die Tageszeit ist nur von den Uhren, nicht von den Menschen oder dem Licht ersichtlich (auch nachts ist hier was los, und der junge Berliner läuft auch mittelständisch gebildet gerne mit Bierflasche herum, Männlein wie Weiblein; vermutlich ist das Undergrounding ;-)

Alles in allem war es klasse, Berlin so prall erlebt zu haben (auch ein phättes Danke an die vielen Menschen, denen ich begegnet bin :-).

Gleichzeitig sehnte ich mich wieder dem Licht und der Wärme entgegen, das novemberliche Einheitsgrau in berliner Strassen kann einen auch vergraulen, vermutlich ist es nicht die allerbeste Zeit, um Berlin kennenzulernen ;-)

Kurzum: Berlin, Du hast mir gefallen und insbesondere die Menschen zeigten sich (wenn sie hochschauten ;-) mir von ihrer besten Seite, THANX!

Warum ich in Berlin war?

Das ist wieder eine gaaaaanz andere Geschichte ;-)